Keine Rechtfertigung für Gewalt in der Ehe!

Frauen zu schlagen kann nicht nur nach dem österreichischen Recht für den Täter mit einer Wegweisung aus der Wohnung und weiteren Sanktionen enden, sondern ist auch aus islamischer Sicht abzulehnen. Darauf weisen wir als Forum muslimische Frauen angesichts der momentanen Diskussion, ausgelöst durch einen Homepagebeitrag des Islamischen Zentrums München, hin. Diese sehr klare Position hat sich längst im innermuslimischen Diskurs herausgebildet. 

Schon die Europäische Imamekonferenz 2010 formulierte eindeutig: „Jegliche Formen von Gewalt gegen Frauen müssen durch islamische Argumente bekämpft werden“ 

Argumente, die klar für ein partnerschaftliches Verhältnis in der Ehe sprechen und Gewalt ächten, sind in der Bewusstseinsbildung wichtig:

- Der Prophet Muhammad hat nie eine Frau geschlagen, sondern Frauen respektiert, ja auch als Beraterinnen angehört.

- Gewalt gegen eine Ehefrau galt schon im klassischen islamischen Rechtsverständnis als Scheidungsgrund.

- Das Prinzip der Kontextualisierung, also im Koranverständnis auch historische Gegebenheiten und den gesellschaftlichen Rahmen zu bedenken erhält in der Theologie vermehrt Bedeutung. Dabei werden gleichzeitig übergeordnete Grundwerte betont. Der tunesische Religionsgelehrte Muhammad at-Tāhir ibn ʿĀschūr (1879 – 1973) argumentiert zunächst mit dem Wert von Gewaltvermeidung an sich und sieht friedliche Konfliktlösung als ein Zeichen für den Entwicklungsgrad einer Gesellschaft. Ibn ʿĀschūr spricht davon, Gewaltanwendung in der Ehe überhaupt zu verbieten, um Ehemännern klarzumachen, dass dies eine Grenzüberschreitung bedeutet, für die sie selbst sanktioniert werden können. 

Dieses Verständnis teilen die meisten Musliminnen und Muslime, selbst wenn sie den Gelehrten selbst vielleicht gar nicht kennen. Hier stehen sie in genau jenem Prozess der Bewusstwerdung des Werts von Gewaltfreiheit, den er beschrieben hat. 

Freilich zeigt die derzeit viel kritisierte Homepage des Islamischen Zentrums München, dass es weiterhin Bedarf gibt, über die Thematik zu sprechen. Bei einer genaueren Analyse wird erkennbar, dass bereits bei dem Verständnis der Mann – Frau Beziehung in der Ehe anzusetzen ist. Solange hier noch wie selbstverständlich patriarchale Vorstellungen von einem „Team“, in dem der Mann aber der „Führer“ sei, vertreten werden, ist dies problematisch. Denn dann ist es nicht weit zu einem Denken, in dem sich der Mann als eine Art Erzieher der eigenen Frau verstehen möchte – und sich dabei auch eines angeblichen Züchtigungsrechtes bedienen will. Das ist eindeutig abzulehnen.

 

Wien, am 5. August 2019 

Carla Amina Baghajati

Obfrau Forum muslimische Frauen Österreich