Moschee

MOSCHEE

 
„… Und hätte Allah nicht die einen Menschen durch die anderen abgewehrt, wären Klöster, Kirchen, Synagogen und Moscheen, in denen Allahs Name häufig gedacht wird, bestimmt zerstört worden…“ (Koran 22:40)
 
Der Begriff “Moschee“ leitet sich von arab. „masdschid“ ab. Darin steckt „sadschda“, die Niederwerfung – jene Position im rituellen Gebet, bei dem die Muslime sich Gott besonders nahe fühlen. Im Arabischen gibt es als weiteres Wort für die Moschee „dschami’ “. Darin ist das „sich versammeln“ enthalten. In der „Dschamia“ findet also die Versammlung zum wöchentlichen Freitagsgebet statt. In Österreich gibt es eigentlich nur zwei, bald drei, Moscheen, in Wien seit 1979, in Telfs seit 2006 und in Bad Vöslau (Fertigstellung 2009). Eine Moschee soll als solcher erkennbarer Sakralbau errichtet werden. Die bestehenden, meist improvisiert in älteren Gebäuden eingerichteten Örtlichkeiten sind eigentlich nur Gebetsräume. Ca. 200 solcher Räumlichkeiten in unterschiedlicher Größe gibt es in ganz Österreich.
 
Kulturgeschichte der Moschee
Die erste Moschee in Medina war äußerst schlicht und zweckmäßig – ein großer Raum mit gestampftem Lehmboden, der zum gemeinsamen Gebet und Versammlungen diente. Mit der Etablierung des Islam kam der Wunsch nach würdigen und repräsentativen, ästhetisch ansprechenden Bauten. An der prächtigen Ommayadenmoschee in Damaskus bauten 706 bis 714/15 auch christliche Fachleute. Berühmtester Architekt und Stadtplaner wurde der griechisch- oder armenischstämmige Mimar Sinan (1489 -1588). Seine 477 Bauwerke wurden stilprägend und auch in Europa nachgeahmt: Zu sehen z.B. an der Wiener Karlskirche, aber auch in Bauten des 20. Jh. von Walter Gropius und Le Corbusier.
 
Die Entwicklung der regionalen Bautypen in der muslimischen Welt spiegeln auch lokale Traditionen wider (pagodenartige Dächer in China, Lehmbauten in Mali). Während man im 19. Jh. in der Kolonialzeit diese ethnischen Bezüge in den Hintergrund drängte, wird heute oft eine Verbindung zwischen Klassik und Moderne gesucht. Es verschmelzen Elemente klassischer islamischer Architektur (Spindelminarett, Durchfensterung der Kuppel, Schmuck) mit modernen Materialien und einer modernisierten Formensprache, beeinflusst von westlichen Betonbauten. Westliche Architekten wirkten in verschiedenen Ländern, so Louis Kahn in Bangladesch und Pakistan. Die Suche nach einer modernen islamischen Identität wird in jüngsten Entwürfen auch in Europa deutlich. Bei dem in London lebenden Basil al Bayati sind die Wände wie ein aufgeschlagenes Buch gestaltet. So soll Wissen und Glauben als zwei Seiten des Erkenntnisprozesses gezeigt werden. Die Bosnierin Azra Aksamiya hat sich in Projekten wie der „Dirndlmoschee“ damit beschäftigt, dass eigentlich überall gebetet werden kann und die Schürze des Kleides gleichzeitig als Gebetsteppich gestaltet.
 
Für die Moschee typisch:
Mihrab: Die Gebetsnische, die die Gebetsrichtung Mekka, die Qibla (siehe Koran 2:144 ff) angibt. In Österreich ist das die Richtung Süd-Südost.
Minbar: Die Kanzel, von der aus die Freitagspredigt (khutba) gehalten wird.
Keine Sitzbänke: Der Gebetsablauf mit den Niederwerfungen erfordert einen sauberen Boden, frei von Raum verstellendem Mobiliar. Einige wenige Sessel werden oft für gebrechliche Menschen bereitgehalten, die ihr Gebet im Sitzen verrichten und die rituellen Bewegungen nur andeuten.
Brunnen/Waschräume: Dienen der rituellen Reinigung (arab. wudu oder türk. abdest) vor dem Gebet. Im Süden oft im Innenhof und künstlerisch gestaltet.
 
Ausschmückung
Da keine Bilder oder Statuen von der Verehrung Gottes ablenken sollen, haben sich verschiedene Kunstformen zur Ausschmückung ausgebildet: Die Kalligraphie zeigt in verschlungener Schönschrift meist Koranverse. Die Ornamentik setzt scheinbar in die Unendlichkeit zum Teil komplizierte geometrische Muster fort und regt so zur Meditation über die Unendlichkeit Gottes an. Vom osmanischen Raum ausgehend erfreuen sich Muster mit stilisierten Tulpen, oft auf Kacheln, der Beliebtheit. Die aus Kleinasien stammende Tulpe, persich und Türkisch “lale“ ist dabei ein Anagramm für das Wort Allah und erinnert in ihrer Form an den arabischen Schriftzug dafür.
 
Minarett und Gebetsruf
Die Türme (Minarette), von denen aus der Gebetsruf erschallt, werden als besonders charakteristisch wahrgenommen. Sie sorgen für die einladende Sichtbarkeit der Moschee. Minarette dienen neben diesem praktischen Zweck als religiöse Bauwerke dem Lob Gottes. Sie sind weder „Herrschaftszeichen“ noch „Symbole des Sieges des Islam“, wie dies mitunter fälschlich behauptet wird.
Der Adhan (Gebetsruf) wurde vom Muezzin (Gebetsrufer) früher von dort verkündet. Heute sind meist Lautsprecher üblich geworden. In Österreich wird der Adhan nur nach drinnen gerufen, da der praktische Zweck der Erinnerung an das Gebet für viele andersgläubige Nachbarn nicht zutrifft. Ohnehin müssen sich Muslime hierzulande eher an den Gebetskalendern orientieren, also einkalkulieren, wann sie sich zum Gebet aufmachen müssen.
 
Freitagsgebet
An Freitagen findet in der Moschee statt des Mittagsgebets das Freitagsgebet statt, das eine Predigt (khutba) einschließt. Männer sind zur Teilnahme religiös verpflichtet, von Frauen wird dies begrüßt. Die Ansprache wird vom Prediger (khatib) gehalten. Meist ist dies gleichzeitig der Vorbeter (Imam). Darin geht er auf Themen allgemeinen Interesses ein und stellt Bezüge zum Islam durch das Zitieren religiöser Quellen her. Die Predigt erfolgt in der Sprache, der die Gemeinde am besten folgen kann. In Österreich hat sich so eine ethnische Ausrichtung ergeben, je nach Herkunft und Sprache. Die junge Generation zeigt Interesse an deutschsprachigen Predigten – ein Wandel sich als Muslime und Österreicher zu begreifen wird deutlich. Einzig beim Gebet wird der Koran kunstvoll auf Arabisch rezitiert. Für Muslime liegt eine besondere Spiritualität darin, das Wort Gottes authentisch zu hören, die in der Übersetzung verlorenginge.
 
Imam
Im Islam gibt es keine Trennung zwischen Priestern und Laien. So kann theoretisch jeder Gläubige, der das entsprechende religiöse Wissen besitzt und die Anerkennung der Gemeinde genießt, diese Funktion ausüben. Es gibt ehrenamtliche Imame, die gleichzeitig einen Brotberuf ausüben. Übrigens können auch Frauen eine theologische Ausbildung absolvieren und fast alle Arbeitsbereiche eines Imams übernehmen. Einzig das rituelle Gebet leiten sie nur in einer reinen Frauengruppe.
In Österreich wird der Wunsch laut, eine eigene Institution zur Ausbildung der Imame zu schaffen. Denn ein Imam soll im weitesten Sinn seiner Gemeinde Orientierung geben können und deshalb deren Lebensumstände ebenso genau kennen wie das Land, in dem er lebt. Männer und Frauen, die aus dem Ausland eingeladen werden, seelsorgerische Aufgaben in einer Gemeinde zu übernehmen, leiten die Einreiseformalitäten mit einem Antrag an die Islamische Glaubensgemeinschaft ein und verpflichten sich in Folge dort zum Deutschlernen. Dadurch ist schon jetzt eine bessere Vernetzung solcher wichtigen Multiplikatoren in der muslimischen Community gegeben.
 
Rolle der Moschee im Gemeinwesen
Moscheen sind immer mehr als nur ein Ort des Gebets, sondern ein sozialer Knotenpunkt. In großen Moscheekomplexen integriert finden sich Schulen (Medresen), Krankenhäuser, Armenküchen. Aus Moscheen haben sich Universitäten entwickelt wie etwa die berühmte Al Azhar in Kairo. Daran erinnert in Europa das Wort „Lehrstuhl“, das auf den erhöhten Sitz (kursi) des Gelehrten beim Unterrichten in der Moschee zurückgeht. Moscheen sollen Offenheit ausstrahlen. Fremde finden hier Kontakt und Orientierung, nicht nur im spirituellen Sinn.
 
Moscheebesuch für Andersgläubige
Zum guten Benehmen gehört es die Schuhe vor Betreten des Gebetsraumes auszuziehen. Im allgemeinen brauchen Frauen in Österreich nicht extra ein Kopftuch anziehen. Dezente Kleidung von Männern und Frauen (Bedeckung von Armen und Beinen, keine bauchfrei-Mode) ist angezeigt. An Betenden soll man nicht so vorbeigehen, dass man dicht zwischen sie und die Gebetsrichtung tritt.
 
 
 
Weiterführende Literatur:
 
Islam – Kunst und Architektur. Hrsg. von Markus Hattstein und Peter Delius. Könemann 2005
 
Symbole des Islam. von Malek Chebel und Laziz Hamani. Brandstätter 1997.
 
Sie bauten eine Moschee. von David Macauly. Gerstenberg 2004. (Kinderbuch!)
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Carla Amina Baghajati